Ehemalige_KEN_Logo_350
Anekdote Jeremy Donath

Der Schulhaus-Boss blickt zurück

Jeremy Donath (M17) war als SO-Präsident in der KEN gewissermassen diplomatisch unterwegs – und ist es nun als Student in «Security and Diplomacy» wortwörtlich. Ein Telefongespräch aus Tel Aviv.

Jeremy Donath (M17).

«Mein berufliches Ziel ist die Schweizer Diplomatie. Schon als Kind war ich fasziniert von den Geschichten, die mir meine Mutter über meinen Urgrossvater erzählte. Er war Minister im dänischen Königshaus gewesen. Und mein Vater studierte Diplomatie. Ich stellte mir damals vor, ihrem Beispiel zu folgen, las Bücher, fütterte mein Interesse. – So wie andere Kinder davon träumen, Pilot oder Feuerwehrmann zu werden, träumte ich von der Arbeit in der Aussenpolitik.

Dieser Wunsch intensivierte sich weiter, erst an der Enge und dann im Studium. Meinen Bachelor schloss ich in Politikwissenschaft mit dem Fokus auf internationale Beziehungen und Diplomatie an der Uni Zürich und an der Uni Kopenhagen ab. Speziell interessierte ich mich für «Maritime Security». – Es geht um Nordeuropa und Arktis, Shipping Companies, die ganzen Routen, Piraten – und darum, etwaige Konflikte diplomatisch zu lösen. Als ich nach geeigneten Masterstudiengängen Ausschau hielt, stiess ich auf «Security and Diplomacy» in Tel Aviv; ein zweijähriger Master, reingequetscht in 12 Monate. Ein Anruf bei der EDA bestätigte mich in meiner Wahl. Und ich sah darin auch eine günstige Gelegenheit, um für ein Jahr nach Israel zu reisen, weil ich hebräisch spreche und Familie hier habe. Zwischen mir und der Enge liegen also nicht nur ein paar Jahre, sondern seit zwei Monaten auch einige Kilometer. Ich erinnere mich aber immer gerne zurück.

Die Schülerorganisation (SO) prägte meine Gymizeit massgeblich. Nur schon die Möglichkeit, mich ins SO-Zimmer zurückzuziehen, wenn ich mich ausruhen, lernen oder einen Kaffee trinken wollte, verschönerte und erleichterte meinen schulischen Alltag. Darüber hinaus habe ich mich mit der Arbeit als SO-Präsident weiterentwickeln und entfalten können. Ich habe gelernt, öffentlich aufzutreten, Events zu organisieren, Konflikte zu lösen – und generell mit vielen Menschen in Kontakt zu stehen. Mit Johann Etterlin, dem damaligen SO-Vizepräsidenten, schloss ich eine enge Freundschaft, die bis heute anhält. Gemeinsam haben wir an der KEN vieles vorangetrieben, ausgehend von einem Punkt, an dem die SO nicht wirklich professionell war. Wir waren ohnehin eine der sehr wichtigen Schülerorganisationen. Auf uns wurde gehört. – Und das braucht’s. Es braucht eine Institution, die den Schülern eine Stimme gibt. Vermittler, welche die Schüler-Lehrer-Front aufweichen. Ich glaube, wenn alle an der Gestaltung des Schulalltags mitwirken können, profitieren auch alle davon.

Vor allem mit dem damaligen Rektor Christoph Wittmer pflegte ich ein sehr enges Verhältnis. Wir sassen teilweise stundenlang in seinem Büro und es kam vor, dass wir mitten in der Nacht wegen irgendeinem Notfall miteinander telefonierten. Wir waren beide sehr investiert. Und weil ich dazu noch die Angewohnheit hatte, bossig durch die Gegend zu laufen, witzelte er an der Maturafeier: «Manchmal wusste man nicht mehr, wer jetzt Rektor ist – Jeremy oder ich?» 

Auch mit Stefan Vollenweider, dem Sportlehrer und SO-Betreuer, standen wir natürlich in engem Kontakt. Ihn und viele andere Lehrer haben wir durch unsere Tätigkeiten in der SO sehr privat kennengelernt – schliesslich waren wir an allen Konventen und Workshops mit dabei, und manchmal bei Abendessen in Restaurants, mit feinem Essen und Wein. Aber auch abgesehen von diesen Anlässen habe ich mit meinen Lehrern ein gutes Verhältnis angestrebt. Ich glaube, dass diese Beziehung über das Funktionale hinaus gehen kann und soll. Es braucht einen sauberen Mix aus Nähe und Distanz.

Wir haben das vorgelebt und die Lehrer auch aktiv darin «gecoacht». Beispielsweise haben wir einmal einen viertägigen Workshop mit ihnen durchgeführt. Wenn ich mich recht erinnere, wollten wir aufzeigen, wie wichtig es ist, dass die Lehrer in einer Klasse die einzelnen Individuen wahrnehmen. Und das zweite Anliegen, an das ich mich erinnere, war ein Dauerbrenner: Es ging darum, dass Verspätungen oft mit unterschiedlichen Ellen gemessen werden – je nachdem, ob ein Schüler oder ein Lehrer zu spät kommt. Das empfanden viele als unfair. Die Lehrer sollten genauso rechtzeitig zum Unterricht kommen. Zwar sind sie im Klassenzimmer die Autoritätspersonen – die Schüler stecken aber auch nicht mehr in den Kinderschuhen. Pünktlichkeit gehört auf beiden Seiten zu einem respektvollen Verhalten dazu.

Diese zwei Beispiele illustrieren gut, dass wir stets darum bemüht waren, möglichst kollektive Interessen zu vertreten – obwohl uns natürlich auch bewusst war, dass nicht alles jeden gleich stark kümmert. Aber die Unparteilichkeit der SO fand und finde ich eminent wichtig. Wir haben uns aktiv dafür entschieden, nicht zu politisieren und unsere Meinungen im Hintergrund zu halten. Die SO vertritt die Schüler – und nicht sich selbst.

Bei einer Sache wurden wir allerdings politisch, zum ersten und letzten Mal: Beim Kampf gegen die geplanten Sparvorgaben des Kantons, vor und am Tag der Bildung am 13. Januar 2016, zu dem die Zürcher Bildungseinrichtungen geladen hatten und in dessen Mittelpunkt eine Podiumsdiskussion an der Enge stand. Zahlreiche Schüler und Lehrer aus dem ganzen Kanton organisierten sich. Auch ich hielt eine Rede an diesem Tag. Inhaltlich bestand sie grösstenteils aus klassischem «Abegelabere» – aber es war eben mein erster öffentlicher Auftritt vor so vielen Menschen. Wie wir uns, die SO gemeinsam mit dem Rektorat, auf diesen Tag vorbereiteten, werde ich nie vergessen.

Ebenfalls eine bleibende Erinnerung ist die monatelange Organisation des Hausfests vom 14. November 2015 – und wie wir am Ende das erreichten, was wir erreichen wollten: Das Schulhaus war voll, die Stimmung euphorisch. Das war einer von vielen Momenten, in denen ich an der Schule aufblühen und mich verwirklichen konnte. Ich fühle mich immer noch sehr emotional verbunden mit der Enge – und habe für meinen weiteren Weg viel mitgenommen.»  

Zur Person 

Jeremy Donath stiess 2014 zur Schülerorganisation und war von 2015-2017 Präsident – bis zu seiner Italienisch-Matur. Mittlerweile spricht er sechs Sprachen fliessend (Englisch, Deutsch, Französisch, Hebräisch, Dänisch, Italienisch). Nach seinem Master bereitet er sich auf den «Concours» vor, den diplomatischen Wettbewerb in der Schweiz und macht entweder ein Praktikum auf einer Schweizer Botschaft oder arbeitet in London oder Kopenhagen.

Verein Ehemaliger der Kantonsschule Enge | Steinentisschstrasse 10 | 8002 Zürich